In Deutschland erziehen 1,5 Millionen Mütter und Väter ihre Kinder alleine.

13,1 Millionen Kinder sind unter 18 Jahren, davon leben 18% mit einem Elternteil im Haushalt. In 9 von 10 Fällen ist dies die Mutter. 38% aller Haushalte von Alleinerziehenden mit Minderjährigen sind auf staatliche Leistungen nach SGB II angewiesen (Stand 2017), d.h. diese sind in besonderem Maße von Armutsrisiko betroffen. Um durch Erwerbstätigkeit unabhängig zu sein, sind alleinerziehende Mütter (im weiteren Text verzichte ich auf politisch korrektes Gendern; s. Zahlen oben) angewiesen auf bedarfsgerechte Betreuungsangebote, um nicht bei fehlender Kinderbetreuung in die Armut abzurutschen.
Laut einer Forsa-Umfrage der Kaufmännischen Krankenkasse stehen 46% der Alleinerziehenden ständig unter Druck. In der Umfrage wünschen sich 71% bessere finanzielle Hilfen, 38% mehr Unterstützung durch den Vater und weitere Angehörige und mehr Anerkennung durch den Arbeitgeber.
Alleinerziehende müssen alles alleine bewältigen: Beruf, Kinderbetreuung, die Organisation des Alltags. Dieser Alltag ist geprägt von ständigem Zeitdruck, finanziellem Druck, wenig Anerkennung, wenig Zeit für eigene Interessen, sozialer Isolation und Gefühlen von Angst und Verzweiflung. Es ist nicht verwunderlich, dass alleinerziehende Mütter ein erhöhtes Risiko haben, an Depression und Burnout zu erkranken und häufiger Stressbeschwerden , wie Rückenschmerzen, Gelenkschmerzen, Herz-Kreislauf-Probleme und Schlafstörungen, beklagen. Bereits vor Corona litten fast zwei Drittel an Müdigkeit, Schlafstörungen, Erschöpfung und Burnout.

Und nun unter Corona?

Man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, in welchem Ausmaße Alleinerziehende von dieser Krise betroffen sind. Die Kita ist zu, die Schule hat geschlossen, die Spielplätze und Parks sind gesperrt. Essenskosten sind in Hartz IV nicht vorgesehen, wenn in der Kita gegessen wird. Wann Kitas und Schulen wieder geöffnet werden, ist noch nicht klar. Wahrscheinlich ist, dass erst die höheren Klassen wieder Zugang zum regulären Unterricht bekommen werden. Und hinzu kommt das Angewiesen sein auf Erwerbstätigkeit. Aber wie soll das gehen, Kinderbetreuung zu Hause, womöglich noch "Beschulung", unter einen Hut zu bringen mit der Arbeit bei gleichzeitiger mangelnder oder fehlender sozialer Unterstützung? Soll Homeoffice die Lösung sein? Abbildungen in Zeitungen von dynamischen Frauen und Männern mit glücklich spielenden Kindern oder neugierigen Babys auf dem Schoß , während die Eltern konzentriert und dabei lächelnd am PC arbeiten, wollen uns weismachen, dass Arbeit, Haushalt und Kinderbetreuung ganz entspannt und gelassen zu stemmen sind.
Aktuelle telefonische Beratungen zeigen jedoch das genaue Gegenteil. Und ich werde bewusst nicht näher auf den Druck eingehen, dem die Kinder nun ausgesetzt sind, nur so viel: Die Achtsamkeit für Kindesschutz spielt eine noch größere Rolle.

Was ist erforderlich, was braucht es nun bestenfalls, um diese existentielle Krise zu meistern?

Auf jeden Fall unbürokratische Hilfen und eine Ausweitung der Notfallbetreuung. Mit dem Arbeitgeber sollte schnellstmöglich nach guten Lösungen gesucht werden und mit den Kindern muss kindgerecht über die Krise gesprochen werden.

Im Folgenden sind mögliche Kontaktadressen aufgelistet

  • Der Verband Alleinerziehender Mütter und Väter bietet telefonische Beratung an, auch Onlineberatung.
  • Wichtige Informationen für Alleinerziehende Rheinland-Pfalz e.V. sind unter der Telefonnummer 06131/616634 oder Online zu erfragen.
  • Beratung für Eltern und Jugendliche wird unter www.bke.de angeboten.
  • Nummer gegen Kummer für Eltern: 08001110550
  • Nummer gegen Kummer für Jugendliche: 116111
  • Telefonseelsorge: 08001110111 oder 116123
  • Kinderschutzhotline: 0800192100

Und wie kann man ganz persönlich jeden einzelnen Tag durchstehen?

Zuallererst ist es wichtig, bei sich und bei Anderen schlechte Laune zu akzeptieren. Aber auch zu akzeptieren, dass es diesen Virus gibt, und dennoch optimistisch zu bleiben. Mit einem "Tagebuch der guten Taten" beispielsweise jeden Abend den Tag zu beschließen, für sich alleine und/oder mit den Kindern gemeinsam, kann das Gefühl von Selbstwirksamkeit stärken. Bewegung und Sport, auch wenn es Überwindung kostet, sind notwendig, um Spannungen abzubauen und sogenannte Glückshormone freizusetzen. Kurze Pausen, Entspannungsübungen und Meditationen können ebenfalls für das Wohlbefinden dienlich sein. Und wichtig: Das Gespräch suchen, nicht alleine bleiben mit den Sorgen.
Und nicht vergessen: Ein Perspektivwechsel, also ein Blick auf Corona aus der Zukunft, kann helfen, stark zu bleiben und stärker zu werden.

Ludwigshafen, April 2020

Ulrike Beck
Diplom-Psychologin